Kafka: Der Steuermann

[AllesVergeben]

»Bin ich nicht Steuermann?« rief ich. »du?« fragte ein dunkler hoch gewachsener Mann und strich sich mit der Hand über die Augen, als verscheuche er einen Traum. Ich war am Steuer gestanden in der dunklen Nacht, die schwachbrennende Laterne über meinem Kopf, und nun war dieser Mann gekommen und wollte mich beiseiteschieben. Und da ich nicht wich, setzte er mir den Fuß auf die Brust und trat mich langsam nieder, während ich noch immer an den Stäben des Steuerrades hing und beim Niederfallen es ganz herumriss. Da aber fasste es der Mann, brachte es in Ordnung, mich aber stieß er weg. Doch ich besann mich bald, lief zu der Luke, die in den Mannschaftsraum führte und rief: »Mannschaft! Kameraden! Kommt schnell! Ein Fremder hat mich vom Steuer vertrieben!« Langsam kamen sie, stiegen auf aus der Schiffstreppe, schwankende müde mächtige Gestalten. »Bin ich der Steuermann?« fragte ich. Sie nickten, aber Blicke hatten sie nur für den Fremden, im Halbkreis standen sie um ihn herum und, als er befehlend sagte: »Stört mich nicht«, sammelten sie sich, nickten mir zu und zogen wieder die Schiffstreppe hinab. Was ist das für Volk! Denken sie auch oder schlurfen sie nur sinnlos über die Erde?

Ich finde Kafka schon lange sehr intressant und lese viele seiner Werke. Er sollte ja jedem schon allein aus der Schule ein Begriff sein.

Nun intressiert mich, was ihr aus der Gesamtheit dieser gequoteten Kurzgeschichte folgert bzw versteht oder interpretiert? Welche Situationen könnte er eurer Meinung nach beschreiben? Oder ist es gänzlich Unverständlich für euch?

Das ist übrigens keine Hausaufgabe sondern ein Thread aus Interesse. Ich frage mich, was auf epvp bei so einem Versuch rauskommt. ;O

[snow]

Woah, hätte ja nicht gedacht, dass hier mal Kafka zitiert wird. :O
Ich persönlich konnte mit Kafka in der Schule gar nichts anfangen, das Lesen hat einfach keinen Spaß gemacht, Dürrenmatt war da viel cooler.
Aber die Parabel mit dem Türhüter hat mich beeindruckt.

Okay, zur Kurzgeschichte: Spontan würde ich da interpretieren, dass das Volk (= die Mannschaft) nicht demjenigen, der Ahnung hat (= dem Steuermann), folgt, sondern dem, der die Autorität ausstrahlt (= der große starke Typ, der sie zum Verschwinden auffordert).
Bestimmt ist das alles aber ganz anders und kann nur auf 10 Seiten interpretiert werden. :<

[bisko #EGG]

Originally Posted by snow911

Woah, hätte ja nicht gedacht, dass hier mal Kafka zitiert wird. :O
Ich persönlich konnte mit Kafka in der Schule gar nichts anfangen, das Lesen hat einfach keinen Spaß gemacht, Dürrenmatt war da viel cooler.
Aber die Parabel mit dem Türhüter hat mich beeindruckt.

Okay, zur Kurzgeschichte: Spontan würde ich da interpretieren, dass das Volk (= die Mannschaft) nicht demjenigen, der Ahnung hat (= dem Steuermann), folgt, sondern dem, der die Autorität ausstrahlt (= der große starke Typ, der sie zum Verschwinden auffordert).
Bestimmt ist das alles aber ganz anders und kann nur auf 10 Seiten interpretiert werden. :<

^This und Kafkas Werke sind nicht so einfach zu lesen und er hat auch noch Weltliteratur geschrieben. Ich hatte mal eine Literatur von ihm gelesen, aber musste feststellen, dass das Ganze nicht so einfach ist.^^

[Dribble Joy]

meh. wäre es ne hausaufgabe würde ein text über opportunismus und politik vermutlich die beste note einbringen.

interpretieren kann man alles. ich habe nur gerade keinen wein oder gras zur hand um ausschweifend zu werden.

kafka ist ziemlich überbewertet. vermutlich kichert er regelmäßig in seinem grab über ständig falsche interpretationen von texten die einfach wirr waren.

[-globe-]

Haben wir erst kurz vor Ende im Deutschunterricht mit Mario und der Zauberer von Mann verglichen.
Es lassen sich gewisse Parallelen zu Cipolla und dem Fremden erkennen. Sprich Psychologie der Massen etc.

[xCrossi]

Meine Interpretation: Von wem sie die Befehle erhalten ist der Mannschaft/den Menschen egal, hauptsache sie müssen sich nicht selbst gedanken machen.

Ist zwar nur ein Satz und vermutlich viel zu oberflächlich, aber Deutsch war noch nie meine Stärke ^^

[Haskel']

Die Kernaussage des ganzen findet meiner Meinung nach am Ende statt. Damit möchte Franz Kafka wahrscheinlich ausdrücken, dass viele Menschen sich unterdrücken lassen, leiten lassen von Übergeordneten und dem Willen anderer nachgehen.

Find' es aber öde, erinnert ein wenig an andere bekannte Stücke..

[Faraqq]

Die Interpretation bezüglich der geistlosen Mannschaft die dem charismatischeren Enterer folgt ist mir auch zuerst gekommen.

Ich finds aber viel interessanter, dass der Steuermann seine Kameraden nachts rausholen kann ohne dass die aufmucken, er sich aber trotzdem relativ kampflos vom neuen Steuermann verdrängen lässt.
Dass die Crew so unter seiner Fuchtel steht zeigt ja, dass er irgendwann ihren Respekt o.Ä. gewonnen haben muss oder auf andere Weise seine Führerrolle etabliert hat, was bei solch "mächtigen Gestalten" ja sicherlich nicht so einfach ist. Seltsamerweise ist er dem neuen Steuermann gegenüber dann jedoch sehr rückgratslos und lässt sich ohne Weiteres verdrängen.