Überwiegend mit Masken nahmen Demonstranten an der Anti-Acta-Demo in
Bremen teil. Mit Transparenten wie «Für Privatsphäre gegen ACTA» zogen
in der Hansestadt rund 2000 Akteure durch die Straßen.
Parteien von Acta-Protesten überrascht
Der Acta-Aktivist, das unbekannte Wesen.
Zehntausende gehen gegen das Urheberschutzabkommen auf die Straße.
Entsteht da gerade eine neue Protestbewegung? Die Parteien sind
zunehmend beunruhigt.
Berlin. Die Politik sitzt ein wenig zwischen den
Stühlen. Sie will auf die „Generation Internet“ zugehen, aber dafür den
Schutz des geistigen Eigentums im Netz nicht über Bord werfen. Auch am
Wochenende demonstrieren wieder bundesweit mehrere Tausend Menschen
gegen das Acta-Abkommen, mit dem unter anderem die EU, die USA und Japan
den Urheberrechtsschutz im Internet besser durchsetzen wollen.
Der Pakt verpflichtet die teilnehmenden Staaten zu wirksamen Maßnahmen
gegen Produkt-Piraterie, auch gegen Urheberrechtsverletzungen im
Internet. Die Aktivisten fürchten, dass bei jedem heruntergeladenen Film
gleich ihre Daten weitergegeben werden und ihnen saftige Strafen
drohen.
„Ich bin erstaunt über die Größenordnung der Proteste“, sagt Dieter
Rucht, einer der profiliertesten deutschen Forscher zu sozialen
Bewegungen. „Ich dachte, das ist ein Thema, was nicht so
mobilisierungskräftig ist, weil zum Beispiel der organisatorische
Unterbau fehlt und die Menschen eher individuell am Rechner die
Problematik wahrnehmen“, sagt der Forscher des Wissenschaftszentrums für
Sozialforschung Berlin. Nach Protesten in ganz Europa liegt Acta
(Anti-counterfeiting Trade Agreement) erst einmal auf Eis, der
Europäische Gerichtshof soll es überprüfen.
Parteiübergreifend wird befürchtet, dass die Piraten 2013 dank
Kontroversen wie bei Acta zu den großen Gewinnern gehören könnten – und
es sich um ein dauerhaftes Phänomen handeln könnte. Denn auch wenn der
Partei ihre Mono-Thematik vorgeworfen wird, für viele Menschen unter 30
ist das Internet der Lebensmittelpunkt. Sie, die sonst vielleicht nicht
wählen würden, haben ein Sprachrohr entdeckt. Ähnlich wie einst die
Grünen ist die aktuelle Bewegung ein internationales Phänomen. Die Union
ist für den Schutz des geistigen Eigentums und der Urheberrechte im
Internet wie im „normalen Leben“. Man ist sich aber der Leerstelle
bewusst. Viele führende Köpfe seien älter als 55 Jahre und hätten mit
dem Internet immer noch wenig am Hut, heißt es in der Unionsfraktion.
Die Bedeutung der Piraten bei der Bundestagswahl 2013 dürfe man nicht
unterschätzen.
Ähnlich sieht es bei der SPD aus. Viele Mitglieder gehören zur
Generation 60 plus. Parteichef Sigmar Gabriel betont: „Natürlich müssen
wir Produktpiraterie bekämpfen und Urheberrechte schützen. Geklaut ist
geklaut – egal ob im Laden oder im Netz. Aber wir dürfen nicht so tun,
als sei jeder, der mit Musik- oder Videodateien umgeht, ein potenzieller
Verbrecher.“
Ego-Taktik nennt Hurrelmann diese relativ neue Protestkultur. „Das liegt
an der gesamten Lebenslage“, sagt Hurrelmann. Die Lebensphase Jugend
beginne sehr früh und ende sehr spät – „wenn überhaupt“. Die berufliche
Zukunft sei ungewiss, die vorgegebenen Strukturen, nach denen man noch
in den 70er Jahren erwachsen wurde, gebe es nicht mehr. Das habe dazu
geführt, dass das klassische politische Engagement in einer Partei stark
zurückgehe.