Ich war sowohl an der FH als auch an der Uni, wobei ich an der FH ein duales Studium gemacht habe, daher kann ich wohl eine recht ausgewogene Bewertung abgeben:
Quote:
Originally Posted by kovuus
Hallo zusammen!
Dementsprechend habe ich mich natürlich auch schon mehrfach gefragt, welche der beiden Hochschulmodelle denn für Informatiker tatsächlich einen "größeren" Vorteil in der freien Wirtschaft bringen?
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Grundsätzlich ist die Frage überbewertet. Die Sache ist einfach: Ja, die Uni geht tiefer in die Theorie und neigt manchmal zu Elfenbeintum-artiger Praxisferne und ja, die FH ist anwendungsbezogener, aber de facto lernst du auf keiner von beiden anständig programmieren. Das ist Praxiserfahrung, die du dir nur durch eigene Praxis aneignest, sei es durch ein Praxissemester, Hobbyprojekte, Selbstständigkeit oder eine Werkstudententätigkeit; idealerweise natürlich etwas, was du auch nachweisen/vorzeigen kannst. Die Crux ist, dass du dir diese Praxis unabhängig von der gewählten Hochschule aneignen kannst, weshalb die Wahl eben zweitrangig ist. Du solltest daher eher danach gehen, was dich persönlich interessiert bzw. was für ein Lerntyp du bist.
Allgemein kann man sagen:
Stehst du auf Theorie, willst tiefgreifende Hintergründe verstehen und herleiten lernen, vielleicht sogar mal einen Blick in die Forschung gewinnen? Ist Mathe voll dein Ding? (Informatik ist an der Uni Mathematik mit Computern! Und das heißt extrem viel Beweisen!) Sind für dich hochgradig anspruchsvolle Jobs wie z.B. in der Konzeption weltweit verteilter Cluster wie dem Google Filesystem ansprechend? Ist eigenständiges Lernen dein Ding und stört es dich nicht, für die meisten Dozenten nur eine Nummer zu sein? Dann ist die Uni der interessantere Weg.
Möchtest du einen Einblick in die Theorie, aber eher mit Fokus darauf, was man damit anstellen kann? Interessieren dich Herleitungen und mathematische Beweise weniger? Willst du Mathe vielleicht sogar weitestgehend vermeiden? Ist Forschung ausgeschlossen? Möchtest du es etwas weniger abstrakt und für die meisten "einfacher"? Willst du kleinere Lehrveranstaltungen, in denen die Dozenten einen irgendwann auch kennen und in denen es etwas schulischer und geführter zugeht? Dann ist die FH deine Wahl.
Lass dich nicht davon verunsichern, dass einige Chefs FH-Abschlüsse für weniger wert oder Uni-Absolventen für Fachidioten halten. Wie du an diesem Satz siehst: Die Vorurteile gibt es nämlich in beide Richtungen, sie sollten dich also nicht zur jeweils anderen bewegen. Man sollte aber erwähnen, dass du das Fachidioten-Vorurteil mit eigener Praxis kontern kannst, während du mit einem FH-Abschluss wohl kaum Chefs überzeugen wirst, die einen Uni-Abschluss verlangen (McKinsey und Konsorten wurden ja schon genannt). Man sollte sich dann aber auch wieder fragen, ob man unter solchen Chefs arbeiten will, denn Jobs gibt es in der Informatik massenweise. Wenn man sich nicht total unfähig anstellt, darf man wählerisch sein.
Ergänzend noch etwas zum dualen Studium: Hier ist die Gewichtung noch extremer als bei der FH. Durch die Praxis im Betrieb hast du mit einem dualen Studium auch tatsächliche Praxis, mit der du etwas anfangen kannst (es ist aber eben auch nicht so, dass du die nicht auch mit einer Werkstudententätigkeit bekommen könntest; da ist dann nur dein Studium nicht zeitlich drauf abgestimmt, sprich mehr Zeitmanagement für dich), vom Geld mal ganz zu schweigen. Auf der anderen Seite kommt die Theorie noch kürzer/oberflächlicher, was bei o.g. Chefs dann noch schlechter ankommt; auf der anderen Seite sind sie bei vielen Chefs hoch angesehen, weil ihnen ein deutlich größeres Stresslevel zugesprochen wird und eben aufgrund der Praxis. Hier solltest du aber aufpassen, dass du von dem Unternehmen angemessen geschult und nicht nur als billige Arbeitskraft behandelt wirst. Gute Unternehmen bezahlen ihre dualen Studenten sogar außergewöhnlich gut (da kommt man als Werkstudent dann eher nicht ran).
Und zum Schluss drei Hinweise:
1. Egal, welche Hochschule du wählst, du solltest dich auf jeden Fall um Praxis kümmern. Es ist nicht unmöglich, als praxisferner Absolvent einen Job zu bekommen, aber du hast es halt schwerer und nicht alle Firmen sind bereit, dir die Grundlagen beizubringen. Es ist einfach in deinem eigenen Interesse, dich selbst mit der Softwareentwicklung auseinanderzusetzen.
2. Du kannst hinterher problemlos von der Uni zur FH wechseln. Du kannst aber nicht unbedingt mit jedem FH-Bachelor jeden Uni-Master machen. Obwohl sie formal gleichgestellt sind, filtern einige Unis gerne durch exorbitant hohe Matheanteile "ungewünschte" FH-Studenten, weil sie eben nur Bachelors annehmen müssen, die inhaltlich vergleichbar sind. Das gleiche gilt bei einem dualen Studium. @
[Only registered and activated users can see links. Click Here To Register...] ist aber z.B. nach einem dualen Bachelor für den Master an eine Uni gewechselt, also unmöglich ist das auch nicht. Du solltest dir dann halt nur vorher die Modulhandbücher von in Frage kommenden Unis ansehen, falls du einen Master an der Uni in Erwägung ziehst.
3. Nach ein paar Jahren Berufspraxis ist sowieso egal, wo du studiert hast. Dann zählt, was du beruflich gemacht hast.