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Originally Posted by Achileus
Ab wie viel Stunden Spielzeit ist für euch ein Spiel lohnenswert gewesen?
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Teilweise ab der ersten Sekunde, teilweise auch nach hunderten von Stunden nicht.
Ich halte Spielzeit für einen unglaublich schlechten Faktor zur Bewertung von Spielen. Ein Spiel hat sich imo erst gelohnt, wenn man richtig in den
Flow kommt.
Okay, Zeit ein bisschen weiter auszuholen.
Das Konzept um und von Flow ist in der Spieleentwicklung sehr populär. Sogar so populär, dass fast jeder Spieler es kennt, allerdings in der Regel nicht benennen kann. Flow ist stupide ausgedrückt genau der Zustand, in dem man ist, wenn man wie gebannt vor der Kiste sitzt und schon seit Stunden am zocken ist und dabei die komplette Außenwelt ignoriert. Hunger? Nur unterschwellig. Harndrang? Für ein Match reichts noch. Zeit? ~20 Dosen Softdrinks und dunkel. Schlafen? Nachher.
Speziell relevant sind die stark erhöhte Konzentration inklusive kürzerer Reaktionszeiten, die stark verzerrte Selbstwahrnehmung (Müdigkeit, Bedürfnisse etc.) und vor allem die unglaublich stark verzerrte Zeitwahrnehmung ("Warum ist es schon wieder 5 Uhr morgens? Ich hab doch nach dem Mittagessen nur eine Runde gespielt!").
Der Flow-Zustand wird in der absoluten Regel als unglaublich positives, schönes Ereignis wahrgenommen. Man ist gerne im Flow und kommt auch gerne wieder in den Flow rein - denn das ist für viele auch eine der wenigen Möglichkeiten mal wirklich keinen Fick um alles drum herum zu geben und Spaß zu haben.
Offensichtlicherweise liegt es im Interesse jedes Spieleentwicklers die Spieler seines Spiels in einen Flow-Zustand zu bringen und sie dort zu halten. Das gestaltet sich allerdings nicht als sonderlich leicht.
Flow passiert nur dann, wenn die Herausforderungen durch das Spiel immer sehr gut dem persönlichen Können des Spielers übereinstimmt. Da das persönliche Können mit Übung (=Spielzeit) und Wissen (durch das Gameplay, Story oder Community erlangt) stetig mehr oder weniger steigt, müssen auch die Herausforderungen durch das Spiel höher werden.
Den richtigen Mittelwert hierfür zu finden ist der heilige Gral der Spieleentwicklung. Es ist nahezu unmöglich zu jedem Zeitpunkt abschätzen zu können, wie viel der Spieler schon kann.
Allerdings ist es sehr einfach möglich trotz des Risikos, Unmut bei dem Spieler zu erzeugen, den Spieler auf sein Können zu testen. Bei Singleplayer-Spielen geschieht das sehr oft durch immer stärker werdende Boss-Mobs, bei Multiplayer-Spielen über Ranglisten (siehe LoL, CS:GO, ...).
Vielleicht schockt es ja hier noch irgendwen: Nein, die Rangliste in LoL (oder bei jedem beliebigen Moba/Shooter deiner Wahl) existiert nicht um die besten Spieler der Welt zu ermitteln. Das gibts nur, damit dir das Spiel nicht langweilig wird.
Analog dazu: Schonmal gewundert, weshalb Spieler, die ihre Ranglistenplatzierung manipulieren lassen haben, danach in kaum einem einzigen Match, bei dem die Platzierung fürs Matchmaking genutzt wird, noch Spaß haben und eher Ragequitten? Tjoah, siehe Grafik.
Allerdings entsteht Flow nicht alleine durch ein stupides erhöhen der Schwierigkeit, sodass der Spieler immer knapp die Überhand hat. Wer nur gewinnt, wird sich auch irgendwann unterfordert sehen und gelangweilt werden. Es muss also auch Situationen geben, in denen der Spieler nicht aufs erste Mal gewinnen wird - wichtig hierbei ist jedoch den Spieler nicht zu demotivieren. Um das zu schaffen bedient man sich idR. Möglichkeiten bestimmte Situationen einfach zu wiederholen, also nach dem Sterben schnell wieder zu respawnen (speziell bei Multiplayer-Spielen) und Checkpoints/Safehouses (primär Singleplayer-Spiele) zu haben.
Es ist ebenso wichtig das bessere Können des Spielers direkt zu belohnen. So werden in vielen Spielen über die Zeit hinweg erst interessante Items, neue Skills, aber auch komplexere Spielmechaniken freigeschalten.
Es ist auf der anderen Seite jedoch auch relevant dem Spieler bei schlechtem Können etwas auszuhelfen, da er sonst die Lust am Spiel verliert. Um den Versuch zu belohnen bietet sich zum Beispiel ein eigentlich unfairer Vorteil (temporäre Buffs, keine Lebenspunkteregeneration bei Mobs etc.) an. Dieser Vorteil muss natürlich wieder verschwinden, wenn der Spieler besser geworden ist.
Eine weitere sehr wichtige Sache ist natürlich den Spieler nie zu stark zu überfordern. Das inkludiert auch den Lernprozess. Wenn die grafische Oberfläche unglaublich unintuitiv gestaltet ist, sich erst in die Spielwelt eingearbeitet werden muss um das Spiel überhaupt zu verstehen oder erstmal massig Regeln gelesen werden müssen, ist der Lernprozess am Anfang des Spiels unverhältnismäßig hoch. Das kommt nie gut an.
Um dieses Problem zu umgehen lohnt es sich bekannte Objekte und Mechanismen in das Spiel zu verarbeiten.
Objekte, die man aus der Echtwelt mit ungefähren Eigenschaften kennt (zB. Auto - schwer, Feder - leicht, Gewehr - gefährlich, Gewähr - ohne), müssen Ingame nicht neu kennengelernt werden. Allerdings scheint das Spiel "billig" gemacht, wenn die Eigenschaften nicht stimmen und es keine offensichtliche Erklärung dafür gibt.
Gleiches ist auch auf Mechanismen zu übertragen. Es muss kaum etwas gelernt werden, wenn bekannte Mechanismen (zB. das Öffnen einer Tür/Truhe etc.) auch Ingame genutzt werden können.
Ebenfalls sehr wichtig ist, dass der Spieler an keinem Punkt im Spiel absolut gar nicht weiß, was er zu tun hat. Sollten also die aktuellen Spielziele nicht mehr klar sein, irrt der Spieler ziellos herum. Wer ziellos herumirrt wird schnell frustriert sein, das ist ungut. Das Spiel sollte also immer klar machen, was gerade zu tun ist und wo der Spieler als nächstes hin sollte.
Das heißt übrigens nicht, dass ein Spiel scheiße ist, nur weil man nicht durchgehend etliche Quests hat. Manchmal macht es auch Sinn die Gegend erkunden zu lassen - Exploration ist auch ein wichtiger Travel Task, den der Nutzer irgendwann mal durchlaufen sollte
Andererseits ist das eine gute Erklärung dafür, dass beim Map-Design immer darauf geachtet wird, dass wichtige Punkte immer einfach zu erreichen sind. Ein Musterbeispiel wäre zB. eine Höhle - im letzten Abschnitt lauert immer ein starker Boss-Mob.
Alles schön und gut, Flow ist der Spielspaß und den kann man gut beeinflussen. Allerdings ist das bei weitem nicht alles.
Um überhaupt in einen Flow-Zustand kommen zu können, muss das Spiel interessant sein. Leider erreicht jeder unter anderen Bedingungen einen richtigen Flow - und es gibt unendlich viele beeinflussbare und nicht beeinflussbare (zB. keine Lust auf das Spiel, sehr hohe Erwartungen, Hass gegen die Plattform aka pcmasterrace-Nackenbärte gegenüber jedem Konsolenspiel) Variablen.
Um also möglichst viele Spieler ansprechen zu können, muss die Zielgruppe ermittelt und deren Bedürfnisse befriedigt werden.
Da unglaublich gute Spielkonzepte immer seltener werden (irgendwie erinnert es dann doch wieder an ein anderes Spiel) gehen die meisten Studios eher in Richtung höherwertige Grafik. Damit kann man eigentlich immer einen gigantischen Haufen Spieler billig ködern. Zielgruppe ist bei solchen Spielen dann oft irgendwas um die 16-30 Jahre.
Wenn man es dann also mal geschafft hat ein Spiel attraktiv genug zu gestalten, dass sich ein Spieler bis zum Flow damit beschäftigt, bietet sich ein weiteres Problem: Nach einer Weile schwindet das Interesse und Flow-Zustände werden seltener.
Um Spieler über längere Zeit zu motivieren, bieten sich speziell bei Onlinespielen soziale Strukturen an. Singleplayer-Spiele ziehen hier eher den kürzeren, aber dafür gibts Story-Erweiterungen in Form von Patches und DLCs.
Mit sozialen Strukturen meine ich primär Gilden, Clans, Raid-Gruppen und flexible Gruppen pro Match/Quest/Gebiet. Sobald Nutzer miteinander kommunizieren, werden sie sehr wahrscheinlich versuchen die neuen Bekanntschaften nicht zu enttäuschen. Das fesselt enorm.
Obendrein finden viele Spieler hierbei ein neues Leben in dem sie (idR. im starken Kontrast zum echten Leben) plötzlich viele Freunde haben und dazu gehören. Diese Ausflucht in eine virtuelle Realität birgt allerdings enorme Suchtgefahren. Das ist übrigens einer der Hauptgründe für diese sogenannte Computersucht bzw. Spielesucht, von der man immer mal wieder in den Medien hört.
Sehr wichtig um Spieler dazu zu bringen Gemeinschaften zu bilden ist übrigens ihnen genug Freiraum zu geben. Wenn jeder gleich aussieht und die gleichen Fähigkeiten hat, sind Gemeinschaften um sich gegenseitig zu unterstützen tendenziell eher uninteressant.
Hat jedoch jeder eine feste Rolle (zB. aus MMORPGs Healer, Tanks, Melee-Damage-Dealer, Ranged-Damage-Dealer (Mages)) und kann seine Fähigkeiten individuell gestalten, so versuchen sich Spieler gerne zu ergänzen. So bilden sich Gemeinschaften.
tl;dr: Flow = Spielspaß. Spielspaß folgt direkt aus Gameplay, kann aber durch Grafik etc. maßgeblich beeinflusst werden. Ohne Community macht ein Spiel auf Dauer tendenziell wenig Spaß.
Ein Spiel muss also in jeder der Kategorien der eigenen Anforderungen genügen um gut zu sein. Spielzeit ist für die Bewertung eines Spiels absolut irrelevant - wenn überhaupt, dann ist das ein
Indiz für ein positives Empfinden des Spiels.
Oder in anderen Worten: Mafia2 habe ich ungefähr 200 Stunden gespielt, League of Legends ungefähr 5000-10000 Stunden. Dennoch halte ich Mafia2 für das deutlich bessere Spiel, da es meinen Anforderungen genauer übereinstimmt und mich besser in einen Flow zieht.
Ein hoher Preis ist auch absolut kein Indiz für ein gutes Spiel. Er spiegelt höchstens die Produktions- und Werbekosten wieder. Ein interessant aussehendes Spiel ist es mir ganz obgleich des Preises wert gewesen, wenn es tatsächlich Spaß gemacht hat und mich ordentlich gefesselt hat. Wenns scheiße war, hab ich halt wenigstens die Chance gehabt es auszuprobieren.
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Originally Posted by spammor
Aber es gibt ja immer die Leute die Spiele und deren Spielspaß von der Grafik abhängig machen -> Gute Grafik= Hammerspiel, macht mega Spaß
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Das ist sicherlich für viele Spieler ein maßgeblicher Faktor zur Bewertung eines Spieles. Halte ich auch nicht für schlecht, da das aktiv die Entwicklung besserer Engines fördert.
Natürlich sollte man auch mMn. Spiele keineswegs auf die Grafik reduzieren. Das machen übrigens auch die üblichen Verdächtigen nicht, sie heben nur die Grafik als wichtigsten Faktor hervor. Wäre zB. das Gameplay scheiße (schlecht konzipierte Interfaces, Steuerung awkward af etc.), würden sie das Zeug auch nicht spielen.
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Originally Posted by Autrux
Alle Singeplayer Games wurden einmal gezockt und dann nie wieder (Immer wieder das Selbe).
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Das ist mMn. nicht wahr. Speziell Spiele, wie fast alle Teile der Elder Scrolls-Reihe (insbesondere Skyrim) langweilen mich auch nach etlichen Stunden Spielzeit noch nicht - alleine schon, weil es so viel zu entdecken gibt.
Viel interessanter als die eigentliche Hauptstory sind in Singleplayer-Spielen oftmals die versteckten Eastereggs und Nebenstories.
Fallout 4 wäre zB. imo ein aktuelles Beispiel für Nebenquests > Hauptquests.
Andererseits hab ich Mafia2 auch schon mindestens 30 mal durchgespielt. Genial fesselnde Story.
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Originally Posted by raveSTAR*
Gutes Anticheat
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Das ist übrigens aus der Perspektive der Publisher/Developer nicht unbedingt gewollt. Bis zu einem gewissen Ausmaß kann einem (Multiplayer-)Spiel nichts besseres passieren, als eine kleine, aber aktive Cheating-Community zu haben - das ist höchsteffektive, kostenlose QA.
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Originally Posted by Renegade91
Beispiel: Kino kostet im Schnitt ca. 10 Euro pro Karte. Ein Film dauert im Schnitt ca. 2 Stunden. Du hast dann 2 Stunden Unterhaltung, also kann man sagen dass 1 Stunde Unterhaltung ca. 5 Euro kostet.
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Und ne Hure kostet im Schnitt ca. 50 Euro pro halbe Stunde. Da sind die Spiele dann doch billiger.