Die Entwicklung eines Spiels kann oft in einer schweren Geburt enden, die an den Nerven, den Gefühlen und dem Selbstbewusstsein kratzt. Das gilt besonders für Indie-Entwickler, die weder eine Fan-Base , noch Reputation vorzuweisen haben. Als Unbekannter vor einer für sich unbekannten Masse ein Interesse zu erzeugen bedarf viel Arbeit. Schon die Römer wussten, hast du erstmal die Gunst der Zuschauer verloren, erlangst du nie zu altem Ruhm zurück. Solch ein Sorgenkind der Spieleindustrie ist auch RiME, ein Indie-Titel, der bereits von Microsoft, Sony und der Community abgeschrieben worden ist. Ein Tagebuch über ein Spiel, das längst vergessen schien.
Die Anfänge
Alles begann vermutlich im Jahr 2012, als das Entwicklerstudio Tequila Works die ersten Konzeptideen sammelte, während sie noch an ihrem Erstlingswerk Deadlight arbeiteten. Eine erste Iteration war ein isometrisches Action-RPG mit dem Namen Echoes of Siren. Die vorläufigen Entwürfe wurden an Microsoft gesendet. In einem sogenannten „Konzept-Einreichungs-Formular“ muss man dem Publisher Microsoft (und Sony, falls mal exklusiv im PSN veröffentlichen will) sein Projekt zusammengefasst zuschicken. Darunter gehören Punkte wie: Entwicklerstudio, Überblick der Finanzierung, Genre, Hauptmerkmale des Designs deines Titels, Schüsselszenen der Story (Und ggf. Überblick des Protagonisten), deine Einschätzung des Risikos und noch einiges mehr. Nun liegt es an Microsoft oder Sony, ob sie einem Titel, wie dem von Tequila Works, grünes Licht geben. Ansonsten endet die Reise hier oft bereits.
Doch Microsoft gefiel die Idee nicht, da sich das Konzept nicht mit den Richtlinien von XBLA deckte. So reichten sie Echo of Siren, welches ab nun RiME hieß, bei Sony ein. Die stimmten kurzerhand zu und waren mit der Budgetsumme einverstanden. Aus RiME wurde ein PS4-Exclusiv.
Offiziell angekündigt wurde das Spiel im August 2013, auf dem Indie-Bereich von Sony’s Pressekonferenz während der Gamescom. Sie zeigten erste Szenen aus dem Third-Person, Abenteuer-Videospiel mit einem Comic-Grafik-Stil. Der Trailer wurde durchweg positiv von der Presse aufgenommen, auch erste Fans konnte das Spiel anlocken. Ein Release wurde noch nicht genannt, dennoch sollte man nicht mehr lange warten müssen. Man hatte bereits mit einer Veröffentlichung im Jahr 2013 gerechnet.
Das Verschwinden
Doch dann begann das Warten. Ein langes, erbittertes Warten. Tatsächlich geschah hinter den Vorhängen etwas, was lange Zeit nicht nach außen trat. Bis im März 2016 bekannt wurde, dass Tequila Works sich die Rechte an RiME zurück erkauft hatte. Offensichtlich musste es Unstimmigkeiten zwischen Publisher Sony und Tequila gegeben haben, oder Sony hatte einfach keine Hoffnung mehr in den Titel und stieß es deshalb ab. Doch "man würde weiter daran arbeiten, den Traum von RiME Wirklichkeit werden zu lassen." So folgte dann auch im August 2016 die Ankündigung, RiME werde nächstes Jahr re-released.
Erst jetzt wurde klar, was zwischen der Ankündigung von 2013 und dem Kauf der Rechte am eigenen Spiel geschah. Nachdem Sony die Rechte zuerst von RiME für sich beanspruchte, stießen sie es später wieder ab. Ihnen haben einfach die weiteren eingereichten Konzeptideen nicht mehr gefallen. So war RiME lange Zeit ein Spiel, das längst nicht mehr existierte. Als dann Creative Director Paul Rubio sich vor über einem halben Jahr dazu bewegte, Kommentare zu dem Spiel auf dem Forum Neogaf durchzulesen, erzählte er, dass er durch den teilweise extremen Hass zwei Tage nur noch Weinen konnte.
"Vor ungefähr sechs Monaten habe ich mir mal die Zeit genommen, um knapp eineinhalb Jahre an Kommentaren zu dem Spiel auf Neogaf durchzulesen. Und ich habe dabei echt fast zwei Tage lang geweint. Teilweise weil ich die Grausamkeit nicht verstehen konnte, aber auch weil ich binnen zwei Tagen die Entwicklung von eineinhalb Jahren nachvollziehen konnte. Ich konnte erleben, wie Menschen etwas so sehr liebten, dass sie es schlussendlich hassten."
Die Wahrheit
Diese Belastung, die auf dem ganzen Team lastete, löste schwere Zeiten im Entwicklerstudio aus. Doch musste Rubio auch zugeben, dass sich der erste Konzepttrailer als Pre-Rendered Trailer entlarvte. Dabei hätte es sich in diesem Konzept-Trailer um Gameplay-Szenen handeln müssen.
"Die Herausforderung in der Entwicklung war, das Gesehene in eine wirkliche Vision einzuarbeiten und den Erwartungen gerecht zu werden. Und das hat sich tatsächlich als unmöglich erwiesen."
Diese Information wurde ebenfalls auf Neogaf bekannt, welche von einer Quelle stammt, die eng verbunden mit dem Entwicklerstudio steht. Es gab zum Zeitpunkt der Einreichung bei Sony sowie bei der Ankündigung auf der Gamescom noch gar kein Spiel. RiME hat bis Dato nur in den Köpfen der Entwickler geschlummert. Was dann bei Sony eingereicht war, waren Aneinanderreihungen von Puzzles auf einer Spielwelt, die zwar dem Trailer ähnelt, aber sonst nichts bot. So endete vorerst der Traum von RiME. Hinzu kamen weitere Geheimnisse ans Licht, wie dass Mitwirkende an dem Spiel teilweise überhaupt keine Erfahrung im Spieleentwickeln haben. So soll nur ein halbes Dutzend vom dem Studio, das „Deadlight“ entwickelte, übriggeblieben sein.
Eine Menge, dass auf dem jungen Indie-Studio lastet. Von Hass über Kontroversen und der Angst, seinen Ruf zu verlieren. Der User, der die Zitate des Entwicklers Rubios postete, gestand, dass auf Neogaf teilweise ein sehr rauer Ton herrsche und „wir wirklich besser darin werden sollten, ruhig zu bleiben“. Denn eben solche Kommentare haben eben jene Entwickelung erschwert, die sich bereits zuvor als nicht besonders leicht erwies.
Die Wiederauferstehung
Eigentlich müsste man meinen, ein Entwicklerstudio müsste nach solchen Erkenntnissen, die an die Öffentlichtkeit getragen worden sind, vom Erdboden verschwinden. Aber dem war nicht so. Tequila Works gab nicht auf und veröffentlicht nun RiME doch im Mai 2017, zumindest voraussichtlich. Nicht nur das, es soll ebenfalls für diverse Konsolen erscheinen, von Xbox One über Playstation 4, zu PC und Nintendo Switch. Dies ist entsprechend dadurch möglich, da sie sich die Rechte zurückerkauft hatten. Finanziert und publiziert wird das Spiel nun von Grey Box und Six Foot. Firmen, von denen ich ehrlich gesagt noch nie etwas gehört habe. Das dürfte unteranderem daran liegen, dass diese Publisher sich noch unter den größeren beweisen müssen, aber dennoch bei näherer Recherche als interessante Newcomer entpuppen, die wir später noch des Öfteren hören dürften... So zumindest meine persönliche Ansicht.
Dass das Team von Tequila Works es doch noch geschafft hat, ihren Traum zu verwirklichen, ist schon erstaunlich. Man stelle sich vor, die Kontroversen um No Man’s Sky wären weit vor dem Release bekannt geworden. Ob es das Spiel gegeben hätte? Oder hätte man sich mehr Zeit gelassen, um ein fast perfektes Spiel herauszubringen? Für RiME dürfte diese Berg- und Talfahrt aber am Ende nur zugutekommen. Denn so konnten die Entwickler (hoffentlich) ein für uns amüsantes, schönes und abwechslungsreiches Spiel entwickeln. Wir werden es erfahren, frühestens am 26. Mai 2017.